Zur Organisation eines Konzertes im 19. Jahrhundert…Take 2, Friedrich Wieck

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Nun kommt Friedrich Wieck zu Wort. Wieck, der Vater der Pianistin und Komponistin Clara Schumann, deren Konzertkarriere er bis zu ihrer Verehelichung mit Robert Schumann pädagogisch und organisatorisch anleitete, führt uns hier in die Gepflogenheiten der Konzertorganisation eines Klavierabends in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein.

„ […] Ehe Sie eine Empfehlung abgeben, gehen Sie zuerst zu dem Musikalienhändler, der ihre Billets zum Concert verkauft. Er hat viele Abhaltungen und Unannehmlichkeiten, viel Aerger Ihretwegen auszuhalten – am Ende wohl noch Ihre Vorwürfe, wenn die Sache eine schiefe Richtung nimmt? – Der gute geplagte Mann, von dem alle Damen Billets auf die erste und zweite Stuhlreihe haben wollen, um die Hände des Spieles beobachten zu können, wird Sie über vieles belehren, was Sie wissen müssen, ehe sie einen Schritt weiter thun: folgen Sie ihm, ohne alles besser wissen zu wollen. Der Concertinstinct so eines Mannes, der so viel mit diesem seltsamen Virtuosin Geschlecht zu verkehren hat, grenzt oft an’s Wunderbare. Dann aber suchen Sie sogleich den besten und ehrlichsten Stimmer auf und bestreben Sie sich, ihn auf alle Weise für Ihren Zweck zu gewinnen. Durch dessen Rath und Unterstützung erhalten Sie vielleicht ein spielbares, Stimmung haltendes Instrument, worauf Sie zur Noth vortragen können und was dieser ganz unter seine Aufsicht nimmt, sonst blamiren Sie sich durch Unglücksfälle aller, und in jeder Stadt – neuer Art. Jeder Virtuos hat sein Instrument bei sich, nur der unglückliche Clavierheld ist der „Discretion” fremder Instrumente anheim gegeben bis zur letzten Note, welche er spielt. Doch verbittern Sie sich Ihre Lage nicht noch mehr durch zu wählerische Aengstlichkeit. Seien Sie zufrieden, wenn nur die Spielart leidlich und der Mechanismus in Ordnung ist. Bedenken Sie, dass unter dreissig sogenannten Concertflügeln immer nur einer ein „wirklicher” ist und dass die andern diesen Namen nur „geduldig“ ertragen müssen.

Nachher suchen Sie sich den ehrenhaften Berichterstatter, Referenten, Recensenten über Concerte auf, der wird Sie noch mit ganz andern Schwierigkeiten und mit der in gegenwärtiger Stadt anzuwenden „Concertdiplomatie“ bekannt machen. Ueberhaupt geben Sie das Concert nicht nach „Ihrem Kopf“ sondern nach den „bessern Köpfen“, welche die Stadt und die Einwohner derselben kennen. Aber dann in der Wahl der Concertstücke zeigen Sie „Festigkeit“, sonst wird Ihnen so viel bis zum Anfang des Concerts gerathen, dass Sie endlich ganz andere Stücke spielen, als der Zettel besagt. Das ist nichts Erdachtes, das ist Erlebtes. Daraus entsteht der „Concertmensch“, eine sonderbare Mixtur, die eine chemische Analyse gar nicht zulässt. –  […]”

Friedrich Wieck, Klavier und Gesang: Didaktisches und Polemisches, Leipzig, 1853

  Gerda   Posted in: Blog