Zur Organisation eines Konzertes im 19. Jahrhundert…Take 1 Hector Berlioz über Franz Liszt

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Wir lassen hier den Komponisten, Musikliteraten und Rezensenten Hector Berlioz  zu Wort kommen. Er beschreibt eine Anekdote um Franz Liszt, die besagt, dass der vielgerühmte Virtuose vor halbleerem Saal zu spielen hatte und wie er mit dieser Situation verfuhr:

“Dabei fällt mir eine alte Geschichte ein, die Sie vielleicht nicht kennen werden, in der Liszt und Rubini vor sieben oder acht Jahren eine ziemlich originelle Rolle spielten. Sie hatten sich für einen musikalischen Feldzug gegen die Städte im Norden verbündet. Wenn sich je zwei unbezwingbare Bezwinger zusammen getan haben, um sich das Publikum zu unterwerfen, dann waren es diese beiden unvergleichlichen Virtuosen. Nun denn! Rubini und Liszt (oder besser: Liszt und Rubini) kommen in ein solches modernes Athen und kündigen dort ihr erstes Konzert an. Nichts wird außer Acht gelassen, weder eine großartige Reklame noch kolossale Plakate noch ein reizvolles, abwechslungsreiches Programm – nichts. Und nichts nutzt. Als die Stunde des Konzerts da ist, betreten unsere beiden Helden den Saal… Es waren nicht einmal fünfzig Zuhörer anwesend! Beleidigt weigerte sich Rubini aufzutreten, der Zorn schnürte ihm die Kehle zu. Ganz im Gegenteil, sagte Liszt zu ihm, du musst dein Bestes geben, dieses Atom von einem Publikum ist offensichtlich die Elite der hiesigen Musikfreunde, und entsprechend musst du es behandeln. Wir müssen uns Ehre machen! Er geht mit gutem Beispiel voran und spielt das erste Stück ganz prachtvoll. Rubini singt darauf das zweite, halb mit Kopf –, halb mit Bruststimme, voller Verachtung. Liszt kommt wieder, spielt das dritte, tritt unmittelbar darauf an die Rampe und wendet sich liebenswürdig an das Publikum: Messieurs, Madame (es war nämlich nur eine da), ich denke, Sie haben genug Musik gehabt, dürfte ich Sie nun vielleicht bitten, mit uns zu soupieren? Einen Augenblick lang verharrten die fünfzig Geladenen unschlüssig, aber weil dieser Vorschlag alles in allem verlockend klang, hüteten sie sich, ihn zurückzuweisen. Das Souper kostete Liszt 1200 Francs. Die beiden Virtuosen beließen es bei diesem einen Versuch. Das war ein Fehler. Denn zweifellos wäre zu einem zweiten Konzert die Menge nur so herbeigeströmt… In der Hoffnung auf eine Souper. Eine meisterliche Publikumsdressur – und für jeden Millionär im Bereich des Möglichen!”

aus Hector Berlioz, Schriften. Betrachtungen eines musikalischen Enthusiasten, hg Frank Heidlberger, übersetzt von Dagmar Kreher, Bärenreiter, Kassel 2002

  Gerda   Posted in: Blog